Autor: Thomas H. Stütz, Chief Global Strategist
Berlin / Kapstadt, im April 2025
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung – Rückblick auf 2018
- Afrikas strategische Ausgangslage 2025
- Neue Chancenfelder – Green Tech, Urbanisierung, Digitalisierung
- Demografie & Urbanisierung – Sprengsatz oder Hebel
- Rohstoffmacht Afrika – zwischen Zugriff und Enteignung
- Minen & Kontrolle – Das neue geopolitische Spielfeld
- Landgrabbing – Die stille territoriale Enteignung
- Kapitalflucht – Das Billionenleck im System
- Bildung & Digitalisierung – Afrikas stille Revolution
- Sicherheitspolitik beginnt mit wirtschaftlicher Ordnung
- Deutschlands Rolle – Zwischen Zögern und Gestaltungsanspruch
- Fazit – Afrika als Prüfstein für Europas strategische Intelligenz
- Handlungsempfehlungen
- Investitionen deutscher Firmen in Afrika – Absicherung von Handel, Kapital und Vertrauen
- Quellenverzeichnis – Nachweise & weiterführende Ressourcen
1. Einleitung – Rückblick auf 2018
Im Jahr 2018 veröffentlichte ich das Strategiepapier „Afrika im Brennpunkt – Zahlen, Daten, Fakten“ in dem ich eindringlich vor der Illusion warnte, man könne Afrika mit geldwerten Mitteln allein „entwickeln“.
Ich forderte bereits seinerzeit ein radikales Umdenken in der Afrikapolitik – weg von einer moralischen Hilfe, hin zu einer strukturellen Ordnung und strategischen Partnerschaft. Heute ist klar: Afrika ist nicht nur eine Herausforderung, sondern die geopolitische Schlüsselregion der Zukunft.
2. Afrikas strategische Ausgangslage 2025
Afrika steht 2025 an der Schwelle zur weltpolitischen Entscheidungsebene. Mit über 1,5 Milliarden Menschen, dynamischen Märkten, aber auch anhaltender Instabilität ist der Kontinent sowohl Hoffnung als auch Risiko.
Wer Afrika 2025 richtig einordnet, versteht die tektonischen Verschiebungen des 21. Jahrhunderts – denn nirgendwo sonst entscheidet sich so deutlich, ob Ordnung oder Chaos den Ton angeben werden.
3. Neue Chancenfelder – Green Tech, Urbanisierung, Digitalisierung
Afrika bietet neue Wachstumskorridore in den Bereichen Green Tech, urbaner Infrastruktur, Digitalisierung, agroindustriellen Wertschöpfungsketten und dezentraler Energieversorgung.
Länder wie Kenia, Ghana, Nigeria und Marokko entwickeln sich zu regionalen Innovationszentren mit Sprunginnovationen (Leapfrogging).
Digitalisierung, FinTechs, Agritech und Off-Grid-Energieprojekte zeigen: Afrika überspringt Entwicklungsphasen – benötigt jedoch strategische Partnerschaften, um strukturelle Stabilität daraus zu formen.
4. Demografie & Urbanisierung – Sprengsatz oder Hebel
Das demografische Wachstum von über 30 Millionen Menschen jährlich birgt enormes Potenzial – und gleichzeitig soziale Sprengkraft. Bis 2050 wird sich die Bevölkerung Afrikas auf ca. 2,5 Milliarden verdoppeln.
Ohne massive Investitionen in urbane Planung, Arbeitsplätze und Bildung drohen neue Migrationswellen und gesellschaftliche Spannungen.
Afrika benötigt jährlich mindestens 25 Millionen neue Jobs – ein Ziel, das ohne koordinierte Investitionsprogramme unerreichbar bleibt.
5. Rohstoffmacht Afrika – zwischen Zugriff und Enteignung
Afrika ist der Kontinent der Rohstoffe: Kobalt, Lithium, Seltene Erden, Platin, Mangan, Bauxit – ohne diese Ressourcen gibt es keine Energiewende, keine Elektromobilität, keine Digitalisierung.
Europa hängt in der grünen Transformation existenziell von Afrika ab – und steht geopolitisch im Schatten Chinas, Russlands und Indiens, die längst Förderrechte und Verarbeitungsinfrastruktur dominieren.
Der strategische Zugriff auf Rohstoffe ist längst zur Sicherheitsfrage geworden.
6. Minen & Kontrolle – Das neue geopolitische Spielfeld
Rohstoffminen in der DR Kongo, Mosambik, Sambia, Mali und Niger sind heute nicht nur ökonomische Zentren, sondern strategische Ziele geopolitischer Einflussnahme. China, Russland und paramilitärische Gruppen sichern sich durch Infrastrukturverträge, Kredite oder Sicherheitsdienste systematisch den Zugang.
Die Rohstofffrage ist längst keine wirtschaftliche mehr – sie ist ein globales Machtinstrument. Europa hat bislang keinen vergleichbaren Hebel installiert – und verliert täglich Einfluss.
7. Landgrabbing – Die stille territoriale Enteignung
Seit 2010 hat sich die Aneignung landwirtschaftlicher Flächen durch ausländische Investoren verdreifacht.
Ob Golfstaaten, China oder westliche Agrarfonds – durch langfristige Pachtverträge, strukturell benachteiligte Bauern und fehlende Rechtsrahmen entsteht ein neues koloniales Besitzmodell.
Die Folgen: Entwurzelung, Ernährungskrisen, soziale Unruhe und der Verlust nationaler Souveränität über das wichtigste Gut – das Land.
8. Kapitalflucht – Das Billionenleck im System
Zwischen 1970 und 2025 sind über 2,1 Billionen US-Dollar Kapital aus Afrika abgezogen worden – meist über Schattenbanken, Briefkastenfirmen und bilaterale Steuerlücken.
Der Aufbau Afrikas scheitert nicht am Geldmangel, sondern an dessen systematischem Abfluss.
Afrika verliert jährlich mehr Geld durch illegitime Kapitalflucht, als es durch Entwicklungshilfe oder Investitionen gewinnt. Wer Kapitalflucht nicht bekämpft, zementiert Abhängigkeit.
9. Bildung & Digitalisierung – Afrikas stille Revolution
Digitale Bildung, technologische Berufsqualifikation und Start-up-Ökosysteme entstehen in Lagos, Nairobi, Kigali und Accra. Afrika überspringt klassische Entwicklungspfade – aber benötigt Partner, die Infrastruktur, Plattformen und Ausbildung bereitstellen.
Genau hier liegt Deutschlands strategisches Feld: im Export dualer Bildungssysteme, in Technologietransfer, im Aufbau resilienter lokaler Ausbildungszentren. Bildung wird zum Friedensfaktor.
10. Sicherheitspolitik beginnt mit wirtschaftlicher Ordnung
Instabilität, Terrorismus, Migration, organisierte Kriminalität – all das entsteht nicht isoliert, sondern im Vakuum funktionierender wirtschaftlicher Strukturen.
Sicherheitspolitik beginnt in Afrika mit Investitionen, mit nachhaltigen Arbeitsplätzen, mit urbanem Strukturaufbau. Soldaten alleine stabilisieren keinen Kontinent – ökonomische Chancen, gesellschaftliche Teilhabe und funktionierende Institutionen tun es.
11. Deutschlands Rolle – Zwischen Zögern und Gestaltungsanspruch
Deutschland zögert, wo andere gestalten. Während China, Indien und die Türkei strategisch investieren, stellt Berlin Kreditbürgschaften in Aussicht.
Der deutsche Mittelstand ist bereit, aber wird politisch alleingelassen.
Eine wirtschaftsstrategisch flankierte Afrikapolitik fehlt. Die Bundesrepublik benötigt eine „Mittelstandsbrücke Afrika“ – mit finanzieller Absicherung, lokaler Infrastruktur und echten Partnerschaften vor Ort.
12. Fazit – Afrika als Prüfstein für Europas strategische Intelligenz
Afrika ist kein ferner Krisenherd. Afrika ist das Epizentrum der kommenden tektonischen Verschiebungen – wirtschaftlich, geopolitisch, sozial.
Was dort heute passiert, entscheidet über das Morgen Europas.
Die demografische Dynamik, die Rohstoffverteilung, die geopolitische Konkurrenz und die fragile Sicherheitslage machen Afrika zum entscheidenden Hebel in der multipolaren Weltordnung.
Europa steht an einer historischen Schwelle: Entweder es erkennt Afrika endlich als gleichwertigen strategischen Partner – oder es bleibt Zuschauer eines Spiels, dessen Regeln längst andere schreiben.
Deutschland, ganz besonders kann sich nicht länger leisten, zwischen moralischer Rhetorik und wirtschaftlicher Zögerlichkeit zu lavieren.
Wer heute zögert, verliert nicht nur Marktanteile – sondern zahlt morgen einen vielfachen Preis: in Form explodierender Migrationskosten, wachsender sicherheitspolitischer Bedrohungen und geopolitischer Ohnmacht.
13. Handlungsempfehlungen
- Aufbau eines deutschen Investitionsfonds Afrika
- Mittelstandsbrücke mit lokaler Infrastruktur
- Bildungsallianzen mit Tech- & Handwerksfokus
- Rohstoffpartnerschaften mit Veredelung vor Ort
- Kapitalflucht bekämpfen, Transparenz fördern
- Sicherheitsarchitektur mit afrikanischen Partnern aufbauen
- Strategisch handeln – nicht symbolisch
14. Investitionen deutscher Firmen in Afrika – Absicherung von Handel, Kapital und Vertrauen
Ablaufabsicherung, Logistik, Finanzierung, Risikoabsicherung und institutionelle Verantwortung
1. Der Engpass: Theoretisches Interesse trifft auf praktische Hürden
Zwar wächst das Bewusstsein deutscher Unternehmen – insbesondere im mittelständischen Maschinenbau, Anlagenbau, Bauwesen und Spezialhandel – für die Potenziale afrikanischer Märkte.
Jedoch: Die praktischen Geschäftsprozesse (Absatz, Lieferung, Zahlung, Versicherung, Konfliktlösung) sind oft nicht planbar, nicht abgesichert oder institutionell unterversorgt.
Fünf zentrale Risikofelder hemmen den Investitionsmut:
- Unsicherheiten beim Warenverkehr (Zoll, Einfuhr, Rückführung)
- Zahlungsabwicklung, Währungsschwankungen, Kapitaltransferhemmnisse
- Fehlende Logistik- und Zwischenlagerinfrastruktur (Zolllager, Umschlagplätze)
- Mangelnde operative Absicherung durch Versicherungs- und Rückversicherungsstrukturen
- Zu geringe institutionelle Koordination zwischen Kammern, Ministerien und Finanzierungspartnern
2. Warenhandel & Zolllager: Absicherung von Logistik und Warenein-/-ausfuhr
Status 2025:
- Ineffiziente, teils korrupte Zollsysteme in vielen Ländern
- Lieferkettenstörungen durch Sondergebühren und unklare Einfuhrbestimmungen
- Fehlende deutsche Zolllagerstrukturen in strategischen Regionen
Lösungsansätze:
- Aufbau deutsch-afrikanischer Freihandelszonen / Zollfreilager über bilaterale Abkommen (z. B. Ghana, Kenia, Senegal, Namibia)
- Einführung elektronischer Warenbegleitsysteme mit QR-Code-basiertem Zollverfahren
- Kooperationsabkommen mit afrikanischen Hafenbehörden (z. B. Lagos, Durban, Mombasa, Tema)
Empfehlung:
Die Bundesregierung sollte strategisch abgestimmte „Export-Hubs“ mit Zolllagerfunktion (nach Vorbild Dubai, Rotterdam) in ausgewählten afrikanischen Metropolregionen mitfinanzieren.
3. Finanzströme & Kapitaltransfer: Der Flaschenhals der Bankenlogik
Probleme:
- Kapitalverkehrskontrollen, instabile Währungen, schwache Bankenaufsicht
- Langsame oder blockierte internationale Überweisungen
- Wechselkursrisiken, keine Zahlungsausfallsicherungen
Lösungen:
- Partnerschaft mit digitalen Zahlungsanbietern (z. B. Ecobank, Flutterwave, MTN) für regionale Transaktionen
- Lokale Treuhandkonten bei zertifizierten Partnerbanken
- Aufbau einer afrikanischen Außenwirtschaftsbank-Tochter unter Mitwirkung deutscher Entwicklungspartner
Empfehlung:
Einführung eines „Afrika-Zahlungsrahmens“, ähnlich dem TARGET2-System in der Eurozone, mit verlässlichem Clearing-Mechanismus – Pilotregion: Westafrika
4. Rückversicherung & Hermes: Zu starr, zu langsam, zu risikoavers
Derzeitige Lage:
- Hermes-Deckungen sind bekannt, aber häufig nicht flexibel genug für KMU (lange Laufzeiten, hohe Gebühren, unklare Risikobewertungen)
- Andere Rückversicherer (z. B. Allianz Trade, Coface, Atradius) bieten zwar Optionen – aber ohne staatliche Stütze meist ungenügend
- Viele KMU erhalten gar keine Absicherung, weil afrikanische Geschäftspartner „nicht bonitätsfähig“ eingestuft werden
Strategischer Reformbedarf:
- Einrichtung eines Afrika-spezifischen Hermes-Schnellverfahrens für Beträge <10 Mio. EUR mit verkürzter Risikoprüfung
- Förderung länderspezifischer Rückversicherungskooperationen (z. B. über GIZ und KfW) mit strategischen Partnerländern
- Aufbau eines „Public-Private Insurance Fund Afrika“, um systemische Risiken gemeinsam mit Versicherern zu tragen
Empfehlung:
Hermes muss zu einem echten „Mittelstands-Partner in Afrika“ werden – nicht zu einem papierlastigen Angstverwalter.
5. Rolle der Auslandshandelskammern (AHKs) – dringend aufzuwerten
Aktuelle Schwächen:
- AHKs in Afrika sind häufig unterfinanziert, personell schwach und strategisch unkoordiniert
- Viele Unternehmen berichten von fehlendem Follow-up, geringer Handlungsfähigkeit und mangelnder operativer Unterstützung
- Es fehlt eine echte Netzwerkstruktur zwischen AHKs, Botschaften, lokalen Behörden und deutschen Unternehmen
Neuausrichtung:
- Ausbau der AHKs zu „One-Stop-Lösungszentren“: juristisch, logistisch, steuerlich, strategisch
- Einrichtung deutsch-afrikanischer Geschäftsscouts, die Unternehmen begleiten
- Regionale AHK-Zentren für Handelsintegration, z. B. SADC, ECOWAS, EAC
Empfehlung:
Die AHKs müssen als operative Speerspitze deutscher Wirtschaftsstrategie in Afrika agieren – nicht als passive Visitenkartentauscher.
Zusammenfassung – Der deutsche Mittelstand braucht Infrastruktur, nicht nur Informationen
Was deutsche Unternehmen in Afrika brauchen, sind nicht Broschüren und Beratungshotlines – sie benötigen konkrete Strukturen, Absicherungen, Zuständigkeiten und Partner:
15. Quellenverzeichnis – Nachweise & weiterführende Ressourcen zu Afrika 2025 – Kapitel 1 bis 15 (Stand: April 2025)
Kapitel 1–3: Grundlagen, Strategie & Chancenfelder
- https://thomas-h-stuetz.eu/afrika-brennpunkt-zahlen-daten-fakten-2018-11/
- Agenda 2063 – Afrikanische Union
Kapitel 4–8: Demografie, Rohstoffe, Land, Kapital
Kapitel 9–11: Bildung, Sicherheit, Deutschlands Rolle
Kapitel 12–13: Strategischer Ausblick & Handlungsempfehlungen
Kapitel 14: Investitionssicherung – Zoll, Zahlung, Rückversicherung, Kammern
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