– CDU/CSU & SPD im Realitätsabgleich –
Autor: Thomas H. Stütz
Chief Global Strategist für geopolitische und geoökonomische Zukunftsräume
Berlin | Mai 2025
Einleitung – Kabinett Merz 2025 im Koalitionsvergleich
In einer Zeit multipler globaler Umbrüche wird die Regierungsfähigkeit zur strategischen Schlüsselressource. Die Koalition aus CDU/CSU und SPD ist weniger eine programmatische Allianz als eine macht arithmetische Zweckgemeinschaft.
Doch wo führen Verwaltungskraft und Symbolpolitik zusammen – und wo laufen sie gegeneinander?
Dieses Strategiepapier liefert erstmals einen direkten Vergleich der Ministerien, ihrer politischen Besetzung und deren Wirkungspotenzial im gesamt strategischen Kontext. Es benennt Erwartungsfenster, Blockaderisiken und Transformationschancen – ressortgenau, akteurscharakteristisch und zeitsensibel.
Ziel ist keine parteipolitische Bewertung, sondern eine operative Realismusanalyse: Was kann dieses Kabinett wirklich leisten? Wo wird es sich gegenseitig lähmen – und wo liegen bislang ungenutzte Hebel?
Vergleichsmatrix – CDU/CSU vs. SPD (verschlankte Darstellung mit Wechselwirkungen)
Ressort |
CDU/CSU |
SPD |
Wechselwirkung |
Finanzen |
– |
L. Klingbeil (Strategisch) |
Machtzentrierung vs. Gestaltungslust. Kanzleramt will steuern, SPD das Geld. |
Arbeit & Soziales |
– |
B. Bas (Pragmatisch) |
Stabilitätspotenzial. SPD agiert ruhig, kaum Reibung mit CDU. |
Verteidigung |
– |
B. Pistorius (Stabilisierend) |
Rhetorische Synergie – strategische Differenz. CDU will Härte, SPD Bindung. |
Justiz |
– |
S. Hubig (Fachlich) |
Geringe Reibung. Fachlich solide, keine Konfliktlinie erkennbar. |
Bauen & Wohnen |
– |
V. Hubertz (Modernisierend) |
Symbolpolitik trifft Umsetzungsdruck. CDU könnte fehlende Realisierung beklagen. |
Umwelt & Klima |
– |
C. Schneider (Pragmatisch) |
Ost-Profil vs. globale Erwartungen. SPD-Verwaltung bremst evtl. grüne CDU-Flügel. |
Außen |
J. Wadephul (Diplomat) |
– |
CDU-Monopol. Kein Gegengewicht aus SPD – Gefahr außenpolitischer Einseitigkeit. |
Digitalisierung |
K. Wildberger (Technokrat) |
– |
Leistungsachse ohne Reibung. SPD fehlt – Chance für CDU-Signalpolitik. |
Bildung |
K. Prien (Pragmatisch) |
– |
CDU-eigene Stabilität. Kein Gegenpart, geringe Innovationswahrscheinlichkeit. |
Inneres |
A. Dobrindt (Hardliner) |
– |
Alleinsteuerung mit Eskalationsrisiko. SPD fehlt als Korrektiv. |
Verkehr |
P. Schnieder (Infrastrukturverwalter) |
– |
Solide Verwaltung ohne Störung. Kein Konflikt zu erwarten. |
Ministerien im Einzelvergleich – Aufgabenprofil & Transformationspotenzial
Ressort |
Aufgabenfeld |
Minister & Partei |
Transformationspotenzial unter aktueller Leitung |
Finanzen |
Haushalt, Steuern, Euro-Stabilität |
Klingbeil (SPD) |
Mittel – politisch ambitioniert, aber ohne fiskalische Führungsroutine |
Arbeit & Soziales |
Rente, Arbeitsmarkt, Sicherungssysteme |
Bas (SPD) |
Begrenzt – solide Verwaltung, aber keine reformtreibende Wirkung |
Verteidigung |
Bundeswehr, NATO, Wehrfähigkeit |
Pistorius (SPD) |
Hoch – anerkannt, durchsetzungsstark, realistische Umsetzung möglich |
Justiz |
Strafrecht, Grundrechte, Justizmodernisierung |
Hubig (SPD) |
Stabil – juristisch stark, aber verwaltungstechnisch ausgerichtet |
Bauen & Wohnen |
Wohnraum, Mietrecht, Stadtentwicklung |
Hubertz (SPD) |
Moderat – Innovationsimpulse da, aber Umsetzungserfahrung fehlt |
Umwelt & Klima |
Emissionshandel, Nachhaltigkeit |
Schneider (SPD) |
Niedrig – pragmatisch, aber ohne gestaltende Vision |
Außen |
Diplomatie, EU-Politik, multilaterale Beziehungen |
Wadephul (CDU/CSU) |
Klassisch-stabil – aber kaum multipolare Ambition |
Digitalisierung |
Infrastruktur, Verwaltungsmodernisierung |
Wildberger (CDU/CSU) |
Hoch – technischer Kompetenzträger, könnte disruptiv wirken |
Bildung |
Schule, Hochschulen, Familienförderung |
Prien (CDU/CSU) |
Begrenzt – wertekonservativ, wenig anschlussfähig an Wandel |
Inneres |
Sicherheit, Migration, Katastrophenschutz |
Dobrindt (CDU/CSU) |
Kritisch – starke Durchgriffslogik, Gefahr gesellschaftlicher Polarisierung |
Verkehr |
Bahn, Straße, Mobilitätswende |
Schnieder (CDU/CSU) |
Solide – Verwaltungserfahrung, keine große Zukunftsagenda |
Wechselwirkungsanalyse – Synergien, Blockaden, Kollisionen
Ressortfeld |
CDU/CSU |
SPD |
Wechselwirkung |
Finanzen |
(offen / CDU-dominiert durch Kanzleramt) |
Klingbeil (Taktiker / strategischer Aufsteiger) |
Latente Machtbalance-Spannung. Kanzleramt will steuern, Klingbeil will aufbauen – Konfliktpotenzial. |
Soziales |
kein CDU-Minister |
Bas (pragmatisch, unideologisch) |
Stabile Verwaltungspartnerschaft möglich. CDU-Positionen könnten sogar durch Bas gestützt werden. |
Verteidigung / Inneres |
Dobrindt (konservativer Hardliner) |
Pistorius (sicherheitsstabilisierend) |
Synergie in Rhetorik, aber Gefahr der Überschärfung. Konterkarierung außenpolitischer Diplomatie möglich. |
Justiz |
– |
Hubig (fachlich, gesetzesnah) |
Funktionale Zusammenarbeit. Geringes Risiko, klare juristische Kompetenz. |
Digitalisierung / Modernisierung |
Wildberger (Technokrat) |
Hubertz (unternehmerisch-modernisierend) |
Potenzial für echte Modernisierungsachse. Gefahr: SPD fehlt Strukturstärke zur Umsetzung. |
Umwelt / Klima |
(offen / CDU-regulativ geprägt) |
Schneider (Verwaltungspragmatiker) |
Kollisionszone. CDU will Industrie schützen, SPD muss Erwartungen Ostdeutschlands ausbalancieren. |
Außenpolitik |
Wadephul (Diplomat, NATO-nah) |
– |
Einseitige Führung durch CDU. Gefahr: SPD-Resonanz fehlt in multilateralen Foren. |
Bildung & Familie |
Prien (wertkonservativ-pragmatisch) |
– |
Stabile CDU-Alleinsteuerung. Keine offene Konfliktlinie, aber kein Reformmotor. |
Verkehr |
Schnieder (infrastrukturorientiert) |
– |
Solide Verwaltungsführung durch CDU. SPD-Impuls fehlt, aber auch kein Blockadepotenzial. |
Bewertung der gesamtstrategischen Koalitionsachse:
Dimension |
Risiko / Chance |
Führungslogik |
Koalitionsparallelität statt kohärenter Führungslinie – besonders sichtbar bei Finanzen & Klima |
Typuskollisionen |
Strategisch vs. Pragmatisch / Symbolisch vs. Technokratisch – potenzielle Reibung |
Rhetorik-Kultur |
CDU technokratisch bis konservativ – SPD symbolisch bis taktisch – geringe Kohärenz |
Reformdynamik |
Digitalisierung als Brücke – Sozialpolitik als Ruhepol – Außen- und Klimapolitik konfliktträchtig |
Strategisches Fazit – Koalition der Verwaltung oder Erneuerung?
Das Kabinett Merz 2025 ist nicht kraftvoll – aber potenziell stabil.
Es fehlt der große strategische Treiber, doch es gibt solide Verwaltungstypen und punktuelle Transformationsfiguren. Die CDU/CSU steuert über Technokratie und Ressortdisziplin – die SPD über Symbolik und moderate Gesellschaftspolitik.
Konflikte drohen dort, wo Machtlogik auf Gestaltungsanspruch trifft (Finanzen, Klima, Verteidigung). Der größte Schwachpunkt bleibt die fehlende ressortübergreifende Modernisierungsarchitektur. Digitalisierung, Klima und soziale Fragen bleiben in ihren Silos.
Nur durch klare Priorisierung, eine integrierte Steuerung zwischen Kanzleramt, Digitalministerium und Verteidigung sowie gezielte Bündnisse mit pragmatischen EU-Staaten (z. B. Dänemark, Niederlande) kann Deutschland mit diesem Kabinett mehr als Verwalten – und tatsächlich gestalten.
Die Koalition wird halten. Doch ob sie wirkt – entscheidet sich in den nächsten 12 Monaten.
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