Von Thomas H. Stütz – Chief Global Strategist
Berlin / Kapstadt, Juni 2025
Einleitung: Gipfel der Selbstentblößung
Der G7-Gipfel 2025 markiert keine globale Weggabelung – sondern dokumentiert vielmehr die strategische Isolation der westlichen Ordnungseliten. Während Russland, China und Brasilien systematisch abwesend bleiben, wirkt die Konferenz wie ein Déjà-vu aus einer Welt, die nicht mehr existiert.
Indiens Premierminister Narendra Modi hat eine offizielle Einladung zum G7-Gipfel in Kanada erhalten und wird teilnehmen – seine erste Präsenz seit sechs Jahren. Indien schafft hierdurch den Durchbruch auf internationaler Bühne.
Dennoch bleibt das geopolitische Narrativ seiner eigenständigen Positionierung bestehen: Indien nutzt die Plattform, um sich als selbstbewusste Weltwirtschaftsmacht zu präsentieren und zugleich bilaterale Gespräche – etwa mit Kanada – zu festigen.
Die strategische Linie ist eindeutig: Indien will nicht eingebunden werden, sondern mitgestalten – unabhängig, eigenständig, zukunftsorientiert. Es steht exemplarisch für jene neue Generation von Staaten, die ihre Ordnung nicht von außen erklären lassen, sondern aus sich selbst heraus definieren.
Der G7-Gipfel als dysfunktionale Bühne
Die geopolitische Leerstelle
Die G7 sprechen über die Welt – aber ohne die Welt. Es ist ein Dialog unter Abwesenden: Die entscheidenden Akteure der neuen Ordnung – BRICS-Staaten, ASEAN, der Globale Süden – sind nicht nur physisch fern, sondern längst strukturell entkoppelt.
Während Europa symbolisch versammelt, verhandeln andere längst neue Rohstoffpreise, digitale Währungsräume und Sicherheitsachsen – außerhalb westlicher Foren.
Selenskyjs Präsenz – Eskalation ohne Zukunft
Die Einladung Selenskyjs ist kein Zeichen von Unterstützung, sondern Ausdruck strategischer Realitätsverweigerung. Seine Rolle als Eskalationsakteur in einem zunehmend blockierten Stellvertreterkrieg wurde im Werk bereits dekonstruiert:
„Selenskyjs Rolle in der westlichen Eskalationsdynamik ist nicht länger tragfähig.“
Seine Teilnahme am G7-Gipfel unterstreicht genau das: Eine Figur ohne funktionale Anschlussfähigkeit – aber mit maximalem Propagandapotenzial.
Friedrich Merz – Führungssimulation im Endstadium
Der Auftritt von Bundeskanzler Friedrich Merz illustriert das westliche Defizit in Reinform: rhetorische Ausweichbewegungen, keinerlei strategische Zielsetzung, keine internationale Traktionskraft. Seine Aussagen zur Weltlage bleiben lapidar, konfliktscheu und entkernt:
Ein Kanzler, dessen Aussagen zunehmend ausweichend wirken – und der bislang keine klar erkennbare strategische Linie etabliert hat.
Die Folgen: Deutschlands strategische Relevanz sinkt weiter, gerade im Globalen Süden. Merz steht exemplarisch für eine politische Führung, die sich angesichts globaler Umbrüche zunehmend auf symbolische Politik stützt, ohne damit strategische Wirksamkeit zu erzielen.
Trump und der Bruch mit der G7-Logik
Noch bevor der Gipfel begann, sickerte durch: Es wird keine gemeinsame Abschlusserklärung geben. Der Grund liegt auf der Hand:
Trump distanziert sich klar von der multilateralen Logik der G7 – sowohl politisch als auch strategisch.
Trumps neue Agenda
- Bilaterale Stärke statt multilaterale Show
- America First – ohne Rücksicht auf europäische Moralphilosophie
- Re-Industrialisierung, Grenzsicherung, China-Containment – aber auf eigene Rechnung
Trump markiert nicht nur einen inneramerikanischen Wandel – er demaskiert auch die G7 als rückwärtsgewandte Symbolstruktur. Die USA sind zwar physisch anwesend – aber faktisch längst ausgestiegen.
Vorausschau: Der nächste Bruch
Die G7 wird spätestens 2026 einen offenen Spalt erleben – entweder durch formelle Nichtteilnahme einzelner Akteure oder durch Blockade konsensfähiger Formate.
Die Weltordnung fragmentiert schneller, als es viele wahrhaben wollen. Das Werk „Die Welt am Kipppunkt“ hat diesen Prozess antizipiert.
Der strategische Bruch vollzieht sich dabei nicht nur transatlantisch – auch innerhalb der EU wächst der Dissens. Von der Leyens Rhetorik zur „regelbasierten Ordnung“ bleibt ohne Rückhalt, wenn selbst Frankreich und Deutschland keine einheitliche Linie mehr vertreten.
Während sie auf multilaterale Prinzipien pocht, verweigert sich Trump jeder Einordnung in ein System, das seine nationale Handlungsmacht einschränkt. Die Kollision dieser beiden Logiken – zentralistisch-moralisch versus bilateral-machtfokussiert – markiert das strategische Vakuum der G7-Formate.
Wirkung des Werks „Die Welt am Kipppunkt“ (T.H. Stütz im Mai 2025) – Realität holt Theorie ein
Das Werk war kein Essay. Es war ein Seismograph. Und genau das zeigt sich heute:
- Die G7 agieren isoliert.
- Der Westen verliert seine Deutungshoheit.
- Die neue Ordnung formiert sich außerhalb alter Formate.
Was in der strategischen Analyse „Die Welt am Kipppunkt“ als Kippmodell angelegt wurde, entfaltet nun seine systemische Realität – still, aber unaufhaltsam. Wer das Werk kennt, erkennt die Linien. Wer es nicht kennt, spürt ihre Wirkung.
Strategische Empfehlungen für multipolare Akteure
- Stärkung multipolarer Bündnisse (BRICS+, SCO, CELAC, AU)
- Souveräne Rohstoff-, Währungs- und Sicherheitsarchitekturen
- Keine Reaktion auf westliche Symbolformate – strategische Stille statt rhetorischer Mitschwingung
- Energiepolitische Entkopplung forcieren: Rohstoffbasierte Bündnisse, wie sie derzeit von Saudi-Arabien, Brasilien oder Indonesien angestrebt werden, zeigen: Energiepolitik ist nicht länger westlich zentriert – sondern geopolitisch verteilt. Die Souveränität beginnt beim Preis – nicht bei der Rhetorik.
Die Zukunft gehört nicht jenen, die über die Ordnung sprechen – sondern jenen, die sie neu definieren.
Fazit: Der G7-Gipfel als Schaufenster der Weltabkopplung
Der G7-Gipfel 2025 zeigt in aller Deutlichkeit: Die Bühne ist errichtet – doch die relevanten globalen Akteure bleiben fern.
Die neue Ordnung entsteht längst anderswo – strategisch, leise, systemisch. Wer das nicht erkennt, wird nicht nur abgehängt – sondern irrelevant.
Thomas H. Stütz
Chief Global Strategist
Hinweis für Fachleser:
Zahlreiche strategische Linien dieses Beitrags entstammen der vertieften Analyse des Werks „Die Welt am Kipppunkt“ (T.H. Stütz, Mai 2025 -https://thomas-h-stuetz.eu/die-welt-am-kipppunkt-3/).
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Rechtlicher Hinweis:
Dieser Beitrag stellt eine geopolitische und soziologische Analyse dar und gibt ausschließlich die unabhängige Perspektive des Autors wieder.
Der Inhalt spricht für sich:
https://www.welt.de/politik/ausland/article256263974/emmanuel-liegt-immer-falsch-trump-spottet-ueber-macron.html