DIW-Vorstoß zum „Rentner-Soli“

Lesedauer 2 Min.

Ökonomisch entkernt – sozial brandgefährlich

Autor: Thomas H. Stütz
Chief Global Strategist – MOC Strategic Institute
Berlin, im Juli 2025

Was das DIW heute vorschlägt, ist keine fiskalpolitische Reformidee – sondern der Ausdruck einer zutiefst fehlgeleiteten Grundhaltung:

Statt endlich die strukturellen Ursachen der Rentenproblematik anzupacken, sollen ausgerechnet die Rentnerinnen und Rentner zur Kasse gebeten werden – mit einer Sonderabgabe auf Altersbezüge.

Das ist nicht nur ökonomisch kontraproduktiv und sozial brandgefährlich – es ist strategisch kurzsichtig und historisch ignorant.

Falsches Ziel – strategisch blind

Die tatsächlichen Ursachen des Rentenproblems liegen nicht bei den heutigen Ruheständlern, sondern in der strukturellen Fehlsteuerung und politischen Bequemlichkeit der letzten Jahrzehnte:

  • Milliardenbelastung durch versicherungsfremde Leistungen, finanziert aus der Rentenkasse: Mütterrente, Wiedervereinigungskosten, Zuwanderungsintegration – allesamt ohne ausreichende steuerliche Gegenfinanzierung.
  • Dauerhafte Entlastung des Bundeshaushalts durch Auslagerung staatlicher Verpflichtungen an die Beitragszahler.
  • Systemische Ungleichbehandlung: Beamtenpensionen bleiben außen vor, obwohl sie mit Abstand die höchsten Ansprüche generieren – und keinerlei Beitragsäquivalenz aufweisen.
  • Gänzlich unzureichende Rücklagenbildung für geburtenstarke Jahrgänge – trotz klarer demografischer Vorwarnung seit den 1970er-Jahren.

Demografischer Verschiebebahnhof statt echter Reform

Anstatt ein integratives, zukunftsfähiges Gesamtsystem zu schaffen – etwa durch ein solidarisches Drei-Säulen-Modell, in dem auch Beamte, Selbstständige und Politiker eingebunden sind – wird erneut der einfachste Weg gewählt: Belastung derjenigen, die sich am wenigsten wehren können.

Die Babyboomer-Generation, die dieses Land über Jahrzehnte mitgetragen hat – wirtschaftlich, gesellschaftlich, steuerlich – soll nun zur Zielscheibe gemacht werden, nachdem ihre Beiträge über Jahrzehnte zweckentfremdet wurden.

Das ist weder generationengerecht noch verfassungspolitisch haltbar.

Was jetzt notwendig wäre:

  • Einheitliches, integratives Rentensystem für alle Erwerbsgruppen – auch Beamte und Selbstständige.
  • Beendigung der versicherungsfremden Leistungsfinanzierung aus Beiträgen – oder deren vollständige steuerfinanzierte Kompensation.
  • Reform der Beamtenversorgung – hin zu mehr Beitragsgerechtigkeit und fiskalischer Fairness.
  • Langfristige Rücklagenarchitektur mit strategischem Weitblick – statt weiterer Flickschusterei unter dem Vorwand der Alternativlosigkeit.

Fazit:

Wer heute ernsthaft über eine Sonderabgabe für Rentner diskutiert, ohne zugleich die jahrzehntelange politische, fiskalische und strukturelle Mitverantwortung des Staates offen zu benennen, betreibt sozialpolitische Sündenbock-Rhetorik.

Die wahren Ursachen liegen nicht bei den Ruheständlern –
sondern in einem politischen System, das Verantwortung systematisch externalisiert und Generationengerechtigkeit als Schönwetterbegriff missbraucht.

Thomas H. Stütz
Chief Global Strategist – MOC Strategic Institute

Schreibe einen Kommentar