Außenpolitische Linie des Kanzlers wirft Fragen zur Loyalität gegenüber Verbündeten und Partei auf – personelle Kontinuität im Kanzleramt könnte der Schlüssel sein.
Autor: Thomas H. Stütz
Chief Global Strategist – MOC Strategic Institute
Berlin / Stuttgart, im August 2025
Die jüngste Entscheidung von Kanzler Friedrich Merz, einen teilweisen Waffenexportstopp gegen Israel zu verhängen, hat nicht nur außenpolitische Kreise, sondern auch seine eigenen politischen Reihen überrascht und irritiert.
Weder die CSU noch die Koalitionspartner waren informiert, die Begründung („Absprachen mit Dritten“) blieb nebulös.
Wer diese „Dritten“ sind, ist unklar. Solche Formulierungen klingen nach diplomatischer Floskel oder nach gezielter Verschleierung der wahren Quelle einer politischen Linie.
Für mich fügt sich dieser Schritt in ein Muster, das ich seit geraumer Zeit beobachte:
Merz’ Rhetorik, Prioritätensetzung und Handlungslogik ähneln in auffälliger Weise jener von Annalena Baerbock, nicht nur in der Wortwahl, sondern in der gesamten außen- und sicherheitspolitischen Rahmensetzung.
Das ist bemerkenswert, weil Merz offiziell für einen CDU-Kurs steht, der in der Außenpolitik traditionell proisraelisch, sicherheitsorientiert und transatlantisch-pragmatisch ausgerichtet ist.
Rhetorische Parallelen: Zitat gegen Zitat
- Baerbock 2022 (nach einer UN-Abstimmung zur Nahostfrage):
„Unsere Verantwortung ist es, alle Seiten zu einem Ende der Gewalt zu bewegen, auch wenn dies bedeutet, kritische Punkte gegenüber Israel klar anzusprechen.“ - Merz 2025 (nach Verkündung des Waffenstopps):
„Deutschland wird seinen Beitrag leisten, die Lage im Nahen Osten zu beruhigen, dazu gehört auch, die eigenen Lieferungen im Sinne internationaler Absprachen zu überprüfen.“
Beide Aussagen nutzen das gleiche semantische Muster: Sie verschieben die Debatte vom legitimen Selbstverteidigungsrecht Israels hin zu einer vermeintlichen „Balance“, die Israels Handlungsspielraum einschränkt.
Der Berater, der den Kurs prägt
Ein Blick auf den engsten Beraterkreis im Kanzleramt liefert eine mögliche Erklärung:
Der aktuelle außen- und sicherheitspolitische Chefberater von Friedrich Merz ist Günter Sautter.
Sautter war zuvor einer der wichtigsten außenpolitischen Köpfe im Auswärtigen Amt unter Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen).
In seiner Funktion als „Politischer Direktor“ hatte er direkten Zugriff auf die strategische Ausrichtung der deutschen Außenpolitik inklusive ihrer heiklen Dossiers wie Nahost.
Seit Mai 2025 ist Sautter nun Leiter der Abteilung für Außen-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik im Bundeskanzleramt und damit der zentrale außenpolitische Drahtzieher hinter Merz.
Parallel dazu hat Jens Holle als Kanzleramtsminister die koordinierende Hoheit über sämtliche Politikfelder, die für die öffentliche Positionierung des Kanzlers entscheidend sind.
Thomas Bagger, als deutscher Botschafter in Washington, gilt als wichtiger Kanal in transatlantische Netzwerke.
Politische DNA: Personelle Kontinuität statt Richtungswechsel
Wer Sautters politische DNA kennt, weiß: Sie ist grün-liberal, moralpolitisch aufgeladen und stark multilateralistisch geprägt.
Diese Ausrichtung kann – und das hat die Amtszeit Baerbocks gezeigt – in der Praxis eine distanziert-kritische Haltung zu israelischer Sicherheitspolitik bedeuten.
Im internationalen Diskurs wird dies oft als „ausgleichende“ Politik verkauft, läuft faktisch jedoch auf eine Schwächung der israelischen Position hinaus.
Wenn also heute manche Positionen von Merz wie ein Echo aus Baerbocks Auswärtigem Amt klingen, liegt das nicht nur an rhetorischer Überschneidung, sondern an personeller Kontinuität im Machtzentrum der deutschen Außenpolitik.
Parallelen im Handeln: Baerbock vs. Merz
- Die aktuelle Entscheidung von Merz
- Überraschender teilweiser Waffenexportstopp gegen Israel.
- Keine erkennbare Abstimmung innerhalb der Regierung.
- Begründung bleibt vage „Absprachen mit Dritten“ ohne Nennung dieser Dritten.
- Historischer Vergleich: Baerbock
- Mehrfach pro-palästinensische bzw. Hamas-freundliche Gesten.
- Politische Distanz zu israelischen Militäraktionen.
- Symbolträchtige Treffen mit palästinensischen Vertretern.
Baerbock-Zitat 2023 (bei einem Besuch in Ramallah):
„Wir wollen, dass Palästinenser und Israelis gleichberechtigt in Frieden leben – dafür muss Israel seinen Teil der Verantwortung übernehmen.“
Merz-Zitat 2025 (zur Waffenstopp-Entscheidung)
„Auch unser wichtigster Partner im Nahen Osten muss verstehen, dass wir alle Seiten in die Pflicht nehmen.“
Die Rhetorik ist nahezu deckungsgleich – der semantische Fokus liegt auf „Gleichverpflichtung“ beider Seiten, auch wenn eine Seite in einem existenziellen Verteidigungskrieg steht.
- Die Rolle von Günter Sautter
- Architekt dieser Außenlinie unter Baerbock.
- Nun in direkter Schlüsselfunktion im Kanzleramt und mit der Möglichkeit, Merz dieselben Handlungsoptionen vorzulegen, die er zuvor Baerbock präsentierte.
Der Kern des Problems
Diese Entwicklung offenbart eine beunruhigende strukturelle Realität!
Regierungswechsel in Deutschland führen offenbar nicht automatisch zu einer außenpolitischen Neuausrichtung. Das gilt besonders, wenn Schlüsselberater ihre Agenda parteiübergreifend fortsetzen.
Im Falle von Merz bedeutet das:
Seine Entscheidungen können inhaltlich und strategisch deckungsgleich mit denen einer grünen Außenministerin sein, wenngleich er öffentlich einen konservativen Kurs verspricht.
Fazit: Die unbequeme Frage
Die Parallelen zwischen Merz und Baerbock sind zu deutlich, um sie als Zufall abzutun.
Wenn der Kanzler heute Entscheidungen trifft, die Israels Verteidigungsfähigkeit schwächen, und diese mit nebulösen Formulierungen wie „Absprachen mit Dritten“ rechtfertigt, muss die Frage erlaubt sein:
Handelt Friedrich Merz als konservativer Kanzler oder folgt er einer vorgeprägten außenpolitischen Linie, die tiefer im grünen Lager verwurzelt ist, als es den Wählern bewusst ist?
Diese Frage muss jetzt gestellt und beantwortet werden, bevor außenpolitische Schlüsselentscheidungen weiter ohne öffentliche Debatte und demokratische Kontrolle in der Kanzlerzentrale getroffen werden.
Thomas H. Stütz
Chief Global Strategist – MOC Strategic Institute