Wenn der Staat zum Führungsversagen wird

Lesedauer 2 Min.

Autor: Thomas H. Stütz
Chief Global Strategist
Berlin / Stuttgart, im September 2025

Deutschland steht nicht nur ökonomisch und sicherheitspolitisch unter Druck, es leidet an einer tieferliegenden Krankheit: strukturellem Führungsversagen. Politik in Berlin und in den Kommunen präsentiert sich wachsweich, unklar und bürokratisch.

Anstatt Verantwortung zu übernehmen, verwechselt sie Verwaltung mit Führung und produziert damit ein gefährliches Vakuum. Dieses Vakuum füllen andere: Netzwerke, Interessengruppen, Parallelstrukturen.

Vom Gesetz zur Beliebigkeit

Ein Staat, der seine Gesetze so konstruiert, dass sie primär Klagewege eröffnen, schafft keine Ordnung, sondern Unsicherheit. Normen verlieren ihre Autorität, wenn sie nicht durchgesetzt, sondern endlos verhandelt werden.

Das Signal lautet nach innen wie nach außen: Regeln sind relativ. Rechte sind einklagbar, auch gegen das Gemeinwohl. Ein solcher Staat verliert seine Strahlkraft, weil er sich selbst relativiert.

Der Verlust des Respekts

Damit verliert der Staat seine elementare Währung: Respekt. Fremde Strukturen, ob Netzwerke, Organisationen oder Einzelne, orientieren sich nicht mehr an Loyalität, sondern ausschließlich daran, welche Ansprüche durchsetzbar sind.

Kriminalität ist dabei nur die sichtbare Oberfläche. Der tiefere Schaden liegt im kulturellen Autoritätsverlust: Staat und Bevölkerung werden nicht mehr ernst genommen.

Wo Respekt fehlt, entsteht nicht Neutralität, sondern Missachtung!

Historische und internationale Lehren

Die Geschichte kennt diese Dynamiken und sie endeten nie glimpflich:

  • Weimarer Republik: Gesetze im Überfluss, doch ohne Durchsetzungskraft. Ergebnis: Chaos, Gewalt und Aufstieg der Extreme.
  • Frankreichs Banlieues: Jahrzehntelange Nachsicht und Bürokratie erzeugten Parallelstrukturen, die heute Polizei und Institutionen herausfordern.
  • Lateinamerika: Wo Recht nicht gilt, übernehmen Kartelle, Milizen und Schattenökonomien.

Deutschland ist nicht Lateinamerika, noch nicht. Doch die Dynamik ist dieselbe: Wo Führung versagt, füllt Macht das Vakuum.

Ein Gegenbeispiel liefert New York der 1990er Jahre: Mit klarer Durchsetzungspolitik („broken windows“) kehrte Ordnung zurück. Respekt entstand nicht durch Härte allein, sondern durch Konsequenz.

Systemische Folgen

Das Führungsversagen reicht weit über Fragen von Sicherheit hinaus:

  • Wirtschaft verliert Vertrauen in stabile Rahmenbedingungen. Investitionen bleiben aus, wenn Recht zur Verhandlungsmasse wird.
  • Internationale Partner zweifeln an deutscher Verlässlichkeit. Wer innen schwach wirkt, gilt außen als unsicherer Verbündeter.
  • Gesellschaftliche Kohäsion zerfällt, wenn Autorität schwindet. Fatalismus, Rückzug ins Private und Extremismus sind die Folgen.

Ein Staat, der seine Führungsaufgaben vernachlässigt, verliert nicht nur Macht, er verliert sein Fundament.

Der deutsche Sonderweg des Führungsverlusts

Über Jahre hat sich dieser Trend verfestigt:

  • Unter Merkel wurde Konfliktvermeidung zum Prinzip – Verantwortung wurde vertagt.
  • Unter Scholz dominierte Verwaltung statt Gestaltung – Schweigen statt Entscheidung.
  • Unter Merz bleibt die Tendenz bestehen: große Worte, aber ohne strukturelles Fundament.

So entsteht ein Paradox:
Während der Staat immer mehr Ressourcen bündelt, wächst seine Ohnmacht.

Der strategische Bauplan

Die Rückkehr zur Führung verlangt keinen Systembruch, sondern den Mut, Staatsaufgaben ernsthaft wahrzunehmen. Vier Handlungsfelder sind zentral:

  1. Rechtsklarheit statt Rechtschaos
    Gesetze müssen klar, vollziehbar und resistent gegen Missbrauch sein. Rechtsstaat heißt Durchsetzbarkeit, nicht Dauerklage.

  2. Stärkung der Exekutive
    Polizei, Justiz und Verwaltung benötigen politische Rückendeckung und operative Handlungsfreiheit. Ein Staat, der seine Exekutive fesselt, lähmt sich selbst.

  3. Straffung der Entscheidungswege
    Weniger Ausschüsse, mehr Verantwortung, klare Befehlsketten. Führung heißt: Entscheidungen treffen und dafür einstehen.

  4. Politische Ernsthaftigkeit
    Bürger spüren, ob Politik gestaltet oder bloß verwaltet. Ernsthaftigkeit heißt: Verantwortung übernehmen, auch in Konflikten, und nicht ausweichen.

Weckruf an ein Land

Deutschland – eine Gesellschaft, deren Ordnung permanent untergraben wird – verliert Sicherheit, Vertrauen und am Ende seine Handlungsfähigkeit.

Führung bedeutet nicht Härte um der Härte willen. Führung bedeutet, die elementare Staatsaufgabe wieder wahrzunehmen: den Schutz von Ordnung, Recht und Respekt.

Wer diese Aufgabe verfehlt, führt nicht, er liefert das Land aus.

Thomas H. Stütz
Chief Global Strategist – MOC Strategic Institute

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